Endokrine Verbindungen

Endokrine Stoffe

 Der Begriff 'endokrine Stoffe' wird in jüngster Zeit in Zusammenhang mit der Düngung von Klärschlamm als neues Schlagwort verwendet. Gemeint sind Stoffe, die auf das endokrine System des Menschen, also auf das Hormonsystem, wirken. Richtig müsste es also heißen: 'endokrin wirksame Stoffe'.

Die Gefahr besteht bei diesen Stoffen darin, dass sie schon in geringsten Mengen erhebliche Auswirkungen auf den Stoffwechsel bzw. den menschlichen Organismus allgemein haben können.

In Klärschlämmen wurden natürliche und synthetische Substanzen nachgewiesen, die das endokrine System beeinflussen können. Bei verschiedenen Fisch- und Schneckenarten, die in unseren Flüssen beheimatet sind, wurden Fortpflanzungs- und Entwicklungsstörungen beobachtet. Endokrin wirksame Substanzen, die mit dem Abwasser in die Flüsse gelangen, werden mit diesen Beobachtungen ursächlich in Zusammenhang gebracht.

Hier sind es insbesondere synthetische Stoffe, die im Verdacht stehen, dafür verantwortlich zu sein.

Solche Beispiele werden verschiedentlich im Zusammenhang mit der Diskussion über die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm als Argument gegen den Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel verwendet. Wenn aber Klärschlamm in Zukunft nicht mehr in der Landwirtschaft verwendet würde, wäre das Problem der Belastung unserer Flüsse mit endokrin wirksamen Stoffen nicht gelöst. Die Lösung kann nur darin bestehen, dass die Eintragspfade dieser Stoffe in unser Abwasser erkannt werden, und die Einleitung ins Abwasser unterbunden wird. Ein Teil dieser Substanzen gelangt auch über das Niederschlagswasser in die Flüsse. Dies kann nur vermieden werden, wenn man verhindert, dass solche Verbindungen in die Atmosphäre gelangen.

Auch ist die Tatsache, dass bestimmte Stoffe eine Wirkung in Gewässern haben, kein Beleg dafür, dass diese Stoffe auch Auswirkungen in Böden zeigen. Tatsächlich gibt es ähnliche Ergebnisse z.B. für Bodenlebewesen bis heute nicht. Überhaupt sind  keinerlei Wirkungen endokriner Stoffe durch Klärschlammdüngung bekannt, weder bei Bodenorganismen, noch bei Pflanzen oder gar Menschen.

Dies ist auch nicht verwunderlich, wenn man folgendes bedenkt:

Die größte Vielzahl an Mikroorganismen auf engstem Raum gibt es im Boden. Mikroorganismen leben vom Abbau organischer Verbindungen. Selbst Mineralöl kann von bestimmten Bakterien 'gefressen' werden. Gelangen also hochmolekulare Verbindungen, wie hormonähnliche Substanzen in den Boden, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie von Mikroorganismen abgebaut werden.

Pflanzen nehmen über die Wurzel keine hochmolekularen Verbindungen auf. Östrogene sind z.B. viel zu groß, um Zellmembranen passieren zu können. Erst wenn Östrogene von Mikroorganismen abgebaut werden, können Hormonbestandteile, z.B. Steroide von Pflanzen selektiv aufgenommen werden. Die Pflanze braucht diese Steroide dann nicht mehr selbst zu synthetisieren, um pflanzeneigene Hormone daraus aufzubauen.

Die Anwesenheit von Steroiden in der Bodenlösung hat jedoch keinen Einfluss auf die Produktion pflanzeneigener Hormone.

Endokrin wirksame Substanzen können also über den Weg Klärschlamm-Boden-Pflanze unmöglich Auswirkungen auf den Menschen haben, weil sie - selbst wenn sie nicht im Boden abgebaut würden - erst gar nicht in Pflanzen gelangen können.

Alles andere wäre auch recht außergewöhnlich, denn:

alle Säugetiere (incl. Mensch) düngen seit Millionen von Jahren den Boden mit ihren Exkrementen. Darin enthalten waren schon immer auch Hormone. Dieser uralte Naturkreislauf wäre der erste und einzige, der nicht 'funktionieren' würde, wenn es wahr wäre, dass Hormone in Exkrementen alles durcheinanderbringen würden.

Der natürliche Hormongehalt in Gülle und in Klärschlamm kann also keine negativen Auswirkungen haben, solange Gülle oder Klärschlamm nicht im Übermaß auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wird.