Organische Stoffe

Klärschlämme aus der Region Rhein-Eifel enthalten im Durchschnitt folgende Mengen der nach AbfKlärV zu untersuchenden organischen Stoffe:

Doch welche Bedeutung haben diese Stoffe, und wie sind die Analysenergebnisse zu bewerten?

 

Was ist AOX?

Alle o.g. Parameter haben eines gemeinsam: es sind organische Chlor-Verbindungen, also organische Verbindungen, die mindestens ein Chlor-Atom enthalten. In der Natur kommen solche Verbindungen nur sehr selten und in besonderen Umgebungen vor (z.B. Penecillin, Huminstoffe). Die überwiegende Zahl dieser Verbindungen wird synthetisch hergestellt und ist hochgiftig.

Geschichte der Chlororganischen Verbindungen

Ursprünglich fielen die ersten Chlor-Verbindungen als Abfallprodukt bei der Herstellung von Natronlauge aus Steinsalz an, um das dabei entweichende giftige Chlorgas zu binden und damit unschädlich zu machen. Schon bald wurden hieraus Produkte entwickelt, für die schnell wachsende Märkte erschlossen werden konnten:

Ließ man Chlorgas mit Kalk reagieren, so konnte der entstehende Chlorkalk als Bleichmittel für die Textil- und Papierherstellung dienen. Leitete man es über Steinkohlenteer, dann entstanden völlig neue Substanzen, die zu so unterschiedlichen Anwendungen wie der Lackierung von Schiffsrümpfen, der Imprägnierung von Gasmasken, zur Isolierung bei der Herstellung von Transformatoren, als Hydraulikflüssigkeit, Weichmacher für Kunststoffe etc. ihren Nutzen fanden.

Seit den 40er Jahren wurden durch die gezielte Chlorierung von Aromaten, die aus Erdöl oder Steinkohle gewonnen wurden, neue Stoffklassen von Pestiziden, chemischen Waffen, Holzschutzmitteln und Kunststoffadditiven erschlossen. Es folgte die Herstellung von PVC, Chlorkautschuk, Perchlorethylen etc..

In der Mitte der 80er Jahre galt die Chlorproduktion eines Landes als Indikator für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Gleichzeitig wurde die "Chlorchemie" in dieser Zeit zu einem zentralen umweltpolitischen Thema, weil viele negative Auswirkungen von Chlorverbindungen inzwischen gut bekannt waren (Vietnam-Krieg: Einsatz von "Agent Orange", "Yusho-Krankheit" in Japan durch PCB-verseuchtes Reisöl, Erkrankungen durch Pentachlorphenol-haltige Holzschutzmittel, Erkrankungen infolge von DDT-Anwendungen, Krebserregung durch Dioxine etc.)

In den folgenden Jahren folgten Gesetze (BImSchV, Abwasserverwaltungsvorschriften, FCKW-Verordnung etc.) und Verbote (DDT, PCB, Pentachlorphenol etc.), die der Schadensbegrenzung dienen sollten.

Die AOX-Methode

Mit zunehmendem Bewusstsein für die Umweltbelastung durch chlororganische Verbindungen begann in den 70er Jahren die Erforschung praktikabler Analysenmethoden, um diese Stoffgruppe gemeinsam zu erfassen. Es wurde ein Verfahren entwickelt, bei dem nach Absorption organischer Halogenverbindungen an Aktivkohle, anschließender Vakuumfiltration und Verbrennung die dadurch entstandenen Halogenide bestimmt wurden. Dieses Verfahren der AOX-Bestimmung (adsorbierbare organische Halogenverbindungen) wurde 1985 als DIN-Methode in die Liste der deutschen Einheitsverfahren zur Wasser- und Abwasseruntersuchung eingetragen und wird seit dem auf den verschiedensten Ebenen eingesetzt.

AOX in der Umwelt

Im Zuge der Entwicklung neuer und genauerer Analyseverfahren wird die Aussagekraft der AOX-Methode immer fragwürdiger. So ist PVC  zwar eine organische Halogenverbindung, aber eine, die als solche keinerlei toxische Wirkung in Wasser oder Boden entfaltet. Enthält Abwasser also PVC-Bestandteile, so hat dies hohe AOX-Werte zur Folge, ohne dass man von einer "Vergiftung" des Abwassers sprechen kann.

Hohe AOX-Werte wurden auch in natürlichen organischen Materialien gefunden: Hoekstra und Leer kamen z.B. mittels Modellrechnungen zum AOX-Transport im Rhein zu dem Schluss, daß 30-70% des Gesamt-AOX im Rhein aus natürlichem Hintergrund besteht. Asplund und Grimvall fanden im Hochmoortorf industriell unbeeinflusster Regionen AOX-Werte von bis zu 400 mg/kg.  Müller und Schmitz kommen zu der Aussage, dass 90% des in Klärschlamm bestimmbaren AOX biogenen Ursprungs sind. Teilweise wurden in Böden höhere AOX-Werte gemessen als in Klärschlämmen. - Eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, dass viele Pflanzenschutzmittel, die im Getreide- Kartoffel- und Gemüsebau eingesetzt werden,  nichts anderes als organische Halogenverbindungen sind (man denke in diesem Zusammenhang auch an das inzwischen verbotene Atrazin).

Beispielhaft seien hier nur zwei gängige Präparate tabellarisch dargestellt:

Bei einem durchschnittlichen AOX-Geahlt von 165 mg/kg TS im Klärschlamm werden also mit der höchstzulässigen Menge von 5 t TS Klärschlamm in 3 Jahren 825 g/ha AOX ausgebracht. Das sind umgerechnet 275 g/ha AOX in einem Jahr, von denen vermutlich 90 % biogenen Ursprungs sind. Also werden mit Klärschlamm maximal 28 g/ha AOX nicht natürlichen Ursprungs auf landwirtschaftliche Böden ausgebracht.

Nkusi, Schöler und Müller verweisen auf Messungen der AOX Emissionen durch Niederschläge. Danach gelangen pro ha und Jahr 56 - 116 g/ha AOX auf unsere Böden.

Fazit

Organische Halogenverbindungen finden sich in Luft, Wasser, Boden und auch im Klärschlamm. Die Gehalte in Klärschlämmen, die als Dünger eingesetzt werden dürfen, entsprechen ungefähr den Gehalten, die in Böden gefunden werden, sie sind teilweise sogar niedriger. Es kann deshalb durch die Düngung mit Klärschlamm nicht zu einer Anreicherung von AOX in Böden kommen (wenn man zwei Substrate mit gleicher Konzentration eines Stoffes miteinander vermischt, ändert sich die Konzentration im Endprodukt nicht). Wenn man annimmt, dass wirklich nur 10 % des im Klärschlamm enthaltenen AOX nicht natürlichen Ursprungs sind, kann man durch die Klärschlammdüngung sogar eher von einem Verdünnungseffekt sprechen. Immerhin ist die Qualität von Klärschlamm bezgl. AOX-Gehalten noch besser als Natur-Torf.

Es besteht sicherlich Forschungsbedarf, welche AOX-Verbindungen welche Schadwirkung entfalten können. AOX ist ein globales Umwelt-Problem, aber sicher kein spezifisches Klärschlamm-Problem.

Polychlorierte Biphenyle (PCB)

Geschichte und Vorkommen

PCB sind erstmals 1929 synthetisiert worden. Aufgrund ihrer hohen thermischen und chemischen Stabilität, geringen Entflammbarkeit, Resistenz gegenüber Säuren und Basen sowie ihrer elektrischen Isoliereigenschaften wurden sie in großem Umfang als Kühl- und Isolieröle in Transformatoren und Kondensatoren sowie als Hydraulikflüssigkeiten im Bergbau eingesetzt. Außerdem fanden sie als Weichmacher in Kunststoffen und Harzen, als Schmier- und Imprägnierzusatz, als Zusätze in Farben und Lacken ihren Einsatz.

Nachdem zahlreiche Erkrankungen auf PCB zurückzuführen waren und die hohe Toxizität der PCB erkannt wurde, verboten ab 1972 zahlreiche Länder ihre Herstellung und Verwendung. Sporadischen Hinweisen zufolge soll allerdings die Produktion von PCB in einigen osteuropäischen Ländern bis heute andauern.

PCB in der Umwelt

PCB findet man bis heute überall in der Umwelt. Zwar sind die Messwerte überall gleichermaßen rückläufig, da aber PCB mit Wind und Wasser über weite Strecken transportiert wurden, findet man sie sogar an den Polen der Erde noch heute. In Nordkanada fanden sich Menschen, die so hoch mit PCB belastet waren, wie sonst nur Menschen nach schweren Chemie-Unfällen. Gleichermaßen wurde PCB in Geweben von arktischen Fischen und Säugetieren gefunden.

Die höchsten PCB-Konzentrationen in Böden sind in Überschwemmungsgebieten zu finden. Hier können die Werte bis über 0,2 mg PCB/kg Boden liegen. In landwirtschaftlich genutzten Böden liegen die PCB-Gehalte unter 0,01 mg/kg Boden. Messungen des UBA in Östereich (1991-1993) ergaben 0,013 mg des PCB 101 Kongeners in 1 cbm Niederschlag (UBA-96-126). Untersuchungen von Nahrungsmitteln haben ergeben, dass vor allem tierische Fette hohe PCB-Gehalte aufweisen, während pflanzliche Lebensmittel deutlich geringer belastet sind. Dies erklärt sich daraus, dass sich PCB in der Nahrungskette anreichern:

Anreicherung von PCB in der Nahrungskette der Nordsee (nach: Rat der Sachverständigen für Umweltprobleme: Umweltprobleme der Nordsee: Stuttgart 1980)

Im Vergleich zu den mittleren PCB-Gehalten unserer Klärschlämme erscheinen die PCB-Gehalte in einigen Nahrungsmitteln unglaublich:

Aufgrund ihrer Fettlöslichkeit binden sich PCB im Abwasser an Fette und werden in den Kläranlagen größtenteils mit dem Fettabscheider entfernt. Deshalb sind die PCB-Gehalte in Klärschlamm vergleichsweise gering.

Fazit

Die PCB-Gehalte in Butter sind 8,5 mal höher als in der Trockenmasse des Klärschlamms, die der Margarine sind 3,5 mal höher als in der Trockenmasse des Klärschlamms. Die PCB-Gehalte der Muttermilch überschreiten sogar die Höchstwerte nach AbfKlärV. Unglaublich aber wahr: Muttermilch darf zwar an Säuglinge verfüttert werden, dürfte aber nicht auf landwirtschaftlichen Böden aufgebracht werden, weil die PCB-Werte die Grenzwerte der AbfKlärV überschreiten! Muttermilch wäre nach AbfKlärV also Sondermüll, der in Zukunft nur noch verbrannt werden darf.

PCB sind ein globales Umwelt-Problem. Die Gehalte in Klärschlamm sind vergleichsweise gering. Aufgrund ihrer Fettlöslichkeit gelangen sie schlecht in die Bodenlösung und damit zur Wurzel der Pflanze. PCB haben im Boden unter Einwirkung von UV-Strahlung und verschiedener Mikroorganismen die größte Chance abgebaut zu werden. Eine Kontamination der Pflanzen ist eher durch Anhaften an äußeren Pflanzenteilen nach Niederschlag als durch eine Aufnahme über die Wurzel zu befürchten.

PCB stellen im Klärschlamm das geringste Problem dar. Das Ausmaß der Belastung unserer Nahrungsmittel, des Wassers und der Luft ist dagegen unverhältnismäßig viel höher.

Dioxine/Furane

Dioxine in der Umwelt

Auch Dioxine/Furane sind in der Umwelt ubiquitär verteilt. Sie wurden über Gewässer und die Atmosphäre in alle Erdteile verbreitet. Sie sind wie die PCB fettlöslich, werden also in den Kläranlagen mit den Fettabscheidern größtenteils entfernt. In der wässrigen Bodenlösung sind sie kaum mobil und werden auch aufgrund ihrer Molekülgröße von Pflanzen nicht über die Wurzel aufgenommen. Gelangen sie auf den Boden haben sie eine Halbwertzeit von ca. 14 Tagen, da sie unter Einwirkung von UV-Strahlung und von Mikroorganismen abgebaut werden können und z.T. auch verdunsten.

Die Dioxin-Gehalte waren 1989 in der Muttermilch durchschnittlich genauso hoch, wie in heutigen Klärschlämmen. Allgemein ist aber auch hier eine eindeutig abnehmende Tendenz festzustellen.

Fazit

Die Dioxin-Gehalte in Klärschlamm sind heute im Durchschnitt genauso hoch wie im Fett von Muttermilch, und liegen damit so niedrig, dass sie als absolut unbedenklich einzustufen sind.

Wirklich bedenklich ist dagegen die allgemeine Umweltbelastung mit Dioxinen.